Revolution in der Sozialen und Pflege-Arbeit erwünscht. Jetzt!

Teil I (aus dem Newsletter vom 01.05.21):

 

Ich bin erschöpft.   Und wütend.    Und das bereits seit Monaten.
Zum Tag der Arbeit gebe ich euch einen Einblick in einen anderen Teil meines Lebens, der mich zur Zeit sehr beschäftigt, bevor es zu den musi-kalischen Neuigkeiten geht. Denn neben der Arbeit in diesem wundervollen Projekt Roods & Reeds verdiene ich mein Geld auch noch als Einsatzleiterin in einem  - ich nenne es immer "alternativen Pflege-dienst" für körperlich eingeschränkte Menschen in Hamburg (denn unter dem eigentlich korrekten Begriff "Assistenzdienst" wissen die Wenigsten, was gemeint ist). Wir vermitteln sogenannte "persönliche Assistent:innen" zu den "Assistenznehmenden", und das mit einem speziellen Fokus, der auf größtmögliche Selbstbestimmung der Kund:innen ausgerichtet ist. Mein Job im Team der Einsatzleitung ist, dafür zu sorgen, dass sämtliche Schichten besetzt sind.
Zu nicht-pandemischen Zeiten kann das phasen-

 

weise herausfordernd sein, wenn z. B. Erkältungswellen oder Magendarm-erkrankungen um sich greifen, oder auch in (Schul-)Ferienzeiten. Aber mit einem exzellenten Team an meiner Seite, kreativen Lösungsideen sowie der nötigen Prise Humor gelingt es uns eigentlich immer, alle Schichten zu besetzen. Jetzt sind wir jedoch in einer Situation angekommen, in der ein seit Monaten zugespitzter Personalnotstand nun seit Februar auf eine noch nie da gewesene Covid-Infektionswelle trifft, die nicht enden will. Wir kommen mit unserer Arbeit an unsere Grenzen und das seit Wochen. Mein Teilzeit-Beruf fühlt sich wie ein Vollzeit-Hamsterrad an, normale Erholungsphasen reichen nicht mehr aus, ich vernachlässige meine Musik und meine Freundschaften. Ein kleiner Urlaub Ende März hat mich etwas Abstand gewinnen und die Dinge klarer sehen lassen. Und seit dem bin ich wütend:

 

 

 



 

Teil II - Fortsetzung zum Newsletter:

 

Wie kann es sein, dass unser Staat und seine Regierungen soziale und Pflegearbeit Jahrzehnte lang derartig geringschätzt, so dass sie für Menschen (selbst als temporärer Job) zu unattraktiv ist? Wir werden vermutlich alle zum Ende unseres Lebens auf pflegerische Leistungen angewiesen sein, wie schön wäre da die Vorstellung, man träfe auf motivierte Menschen, die angemessen für ihre Arbeit bezahlt und einen richtig guten Job machen würden! Und unsere Assistent:innen machen trotz des übersichtlichen Gehalts einen großartigen Job, fangen sie doch durch ihre zusätzliche Arbeitsbereitschaft nicht nur den Personal-notstand sondern auch den hohen Krankenstand auf. Das ist nur möglich, weil diese Leute eine große Portion Idealismus mitbringen, wir als Vorgesetzte uns bemühen, so fair und wertschätzend wie möglich zu sein und unser Betriebsrat sich regelmäßig für höhere Haustarivverträge einsetzt.

Diese wollen jedoch vom städtischen Kostenträger refinanziert werden, was immer wieder zäh verhandelt werden muss. Warme Worte und höfliches Klatschen zahlen weder Miete noch Lebenshaltungskosten.
Auch mich befeuert in diesem Job mein Idealismus und ein in der Regel sehr gutes Betriebsklima, aber zur Zeit bin ich einfach nur erschöpft. Wenn ich nicht gerade wütend bin. Es braucht einen Sinneswandel in Gesellschaft und Politik und den Willen, dafür eine Menge Geld zu investieren (oder sollte ich sagen "umzuverteilen"?), damit dieser strukturelle Missstand sich ändert und wir langfristig eine zufriedenere und gesündere Gesellschaft werden können.
Für mich ist dies keine Utopie sondern die Gesellschaft, in der ich leben möchte, konsequent zu Ende gedacht.

Wie schön wäre das.